Der richtige Schnitt hält Obstbäume fit

Blühender Apfelbaum (Foto: NABU)
Blühender Apfelbaum (Foto: NABU)
Allein mit der Anpflanzung einer Obstwiese ist die Arbeit noch lange nicht getan. Richtige und regelmäßige Pflege macht sich aber bezahlt. Martin Temme gibt Tipps.


Betrachtet man die Obstwiesen im Kreisgebiet etwas genauer, so ist schnell zu erkennen, dass es in Sachen Obstbaumschnitt eigentlich jede Menge zu tun gäbe. Viele alte Bestände müssten dringend einmal einer Verjüngungskur unterzogen werden.

Pflegebedürftige Altbäume
Was manche Bäume an Astholz tragen, würde für drei Baumkronen reichen. Kein Wunder, dass besonders solche Bäume mit einer hohen Grundbelastung durch zu viel Holz bei starkem Obstbehang und eventuell noch Gewitterschauern mit Windböen regelmäßig zusammenbrechen! Dieser unerwünschte Astbruch lässt sich - zwar nicht immer, aber sehr oft - durch rechtzeitigen Baumschnitt verhindern.
Andere Altbäume sind total vergreist, haben also quasi keinen Neuzuwachs von Langtrieben mehr. Somit findet keine Verjüngung des Fruchtholzes mehr statt, denn ab dem zweiten Jahr bilden sich an diesen Langtrieben kurze Triebe, die Blütenknospen tragen.
Vergreiste Bäume sind zwar über und über mit blühenden Kurztrieben, dem Fruchtholz, besetzt, tragen aber oft nur noch sehr kleine, häufig zur Frühreife neigende Früchte. Viele Kurztriebe und ganze Äste sind allerdings auch häufig schon abgestorben, besonders, wenn diese weit herab hängen.
Häufig findet man auch hohe, alte Bäume mit dicken, stammartigen Hauptästen, die nur ein wenig zur Seite wachsen und dann steil aufragen. Die ersten echten Seitenäste setzen in einer Höhe an, die so manche Leiter nicht mehr erreicht, was ein beernten kaum noch möglich macht.
Dieser Wuchs ist das typische Endergebnis für sogenannte überbaute Obstbaumkronen. Hier sind die ursprünglichen Leitäste sowie die Stammverlängerung nach oben durchgewachsen, haben sich ausgebreitet und vermutlich auch einige Zeit lang viel und gutes Obst getragen. Nach und nach allerdings neigen sich diese abgetragenen Äste, sowie deren Seitenäste immer mehr nach außen. Die obere Baumkrone bekommt quasi ein Übergewicht und überragt die weiter unten ansetzenden Seitenäste. Diese werden im Wuchs gehemmt und sterben nach und nach ab. Das Ergebnis sind von unten her verkahlende Bäume, die hoch oben kaum erreichbares Obst produzieren.

Verjüngungsschnitt
Bevor es soweit kommt, sollte dringend ein Verjüngungsschnitt durchgeführt werden, damit auch die unteren Kronenbereiche wieder gut belichtet und durchlüftet werden. Dafür werden gezielt einzelne, mitunter auch größere Äste im oberen Kronenbereich und oft auch die Stammverlängerung selbst entfernt, wenn sie die Leitäste überbauen und verschatten.
Ebenso werden beim Verjüngungsschnitt das häufig „wilde Durcheinander“ gelichtet und abgetragene, herabhängende Äste und Zweige entfernt oder auf günstige Triebe zurückgesetzt. Es ist immer darauf zu achten, dass die äußeren Spitzen der oberen Äste und Zweige - auch wenn sie gutes Fruchtholz tragen und einen gesunden Neuaustrieb zeigen – direkt darunter liegende Äste insgesamt nicht mehr überragen. Hier droht ansonsten das beschriebene Verkahlen. Bei starker Vergreisung sollte ein großer Teil des Fruchtholzes entfernt werden, um einen guten Neuaustrieb anzuregen.
So, wie man aus einem Esel kein Rennpferd machen kann, verhält es sich auch mit unter Umständen niemals oder unzureichend geschnittenen Altbäumen: Eine ideale Pyramidenform mit gleichmäßig verteilten Leitästen lässt sich in vielen Fällen wegen der nicht vorhandenen Grundstuktur, nicht mehr erreichen. Trotzdem lohnt sich ein Pflegeschnitt, dann kann man an dem „Esel“ noch lange Freude haben und er wirft auch noch etwas ab. Insgesamt kann das Lebensalter von Obstbäumen durch regelmäßigen Verjüngungsschnitt deutlich gesteigert werden.

Erziehungsschnitt
Häufig sind leider auch die Jungbäume nicht gepflegt worden. Gerade in den ersten Standjahren auf der Obstwiese ist ein regelmäßiger Erziehungsschnitt wichtig. Ziel ist hier nicht ein möglichst rasches Einsetzen des Fruchtertrages, sondern der Aufbau einer wüchsigen, tragfähigen Baumkrone, die dann bei regelmäßiger Pflege 50 bis 100 Jahre alt werden kann. Ungeschnittene Bäume tragen meistens zwar schneller erste Früchte, kümmern allerdings im Wachstum und vergreisen vorzeitig. Außerdem droht bei erstem starkem Fruchtbehang Astbruch wegen im Verhältnis zur Länge zu dünner Äste. Eine unregelmäßige und insgesamt bruchgefährdete Krone ist dann vorprogrammiert.
Die Leitäste sowie die Stammverlängerung werden jährlich um ein bis zwei Drittel zurückgeschnitten und zwar jeweils auf nach außen beziehungsweise unten stehende Knospen, auch Augen genannt. Für eine gleichmäßige Kronenentwicklung ist es wichtig, dabei auf das Einhalten der so genannten Saftwaage zu achten, das heißt, alle Leitäste untereinander sollten etwa in gleicher Höhe eingekürzt werden, die Stammverlängerung knapp darüber. Senkrecht und zur Mitte wachsenden Triebe auf der Oberseite der Leitäste werden ganz entfernt, ebenso zu steil aufragende Seitenäste. Waagerecht stehende Seitenäste und das an ihnen in den Folgejahren entstehende Seitenholz wird als fruchttragendes Holz ungeschnitten gelassen.
An der Stammverlängerung kann waagerechtes und schwaches Seitenholz, welches zur Fruchtbildung neigt, ungeschnitten im Baum verbleiben. Starke, steilstehende Triebe, die sich schnell zu Konkurrenten der Leitäste entwickeln könnten, sollten am Stamm entfernt werden. Der von den obersten Austrieben der Stammmitte als Stammverlängerung ausgewählte Trieb sollte nicht weit über den in Saftwaage geschnittenen Leitästen angeschnitten werden. Andernfalls könnten die Leitäste von den Austrieben der Stammverlängerung im Wuchs überholt und unterdrückt werden, was dann zu einer unerwünschten überbauten Krone führen kann.

Mehr Infos unter: www.streuobst.de.

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