Der NABU hat den Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) zum Vogel des Jahres 2011 gewählt, um für einen nachhaltigen Schutz dieser inzwischen bei uns seltenen Vogelart und ihres Lebensraumes zu werben. Hans-Georg Bommer stellt ihn vor.
Name
Der lateinische Name des Gartenrotschwanzes „Phoenicurus“ ist griechischen Ursprungs und bedeutet „Rotschwanz“. In Conrad Gesners Vogelbuch von 1555 (in lateinischer
Sprache), 1669 übersetzt ins Deutsche von Georg Horst, werden die Namen „Hauß-Röthelein“, „Sommer-Röthelein“ und „“Rothschwäntzlein“ erwähnt, wobei jedoch keine deutliche Trennung gegenüber dem
verwandten Hausrotschwanz vorgenommen worden ist. Der mundartliche Name im Gebiet des ehemaligen Kreises Erkelenz heißt „Ruetstättche“.
Es mag ein Relikt des Mittelalters sein, dass beide Rotschwanzarten trotz ihres sehr unterschiedlichen Aussehens seinerzeit im Sprachgebrauch der breiten Bevölkerung nicht unterschieden worden
sind. Der hochdeutsche Name Gartenrotschwanz, früher auch Gartenrötel, passt heute insoweit nicht mehr, als sich der attraktive Vogel durch Einwirkung des Menschen aus seinem ehemaligen
Lebensraum Garten hat zurückziehen müssen. Es dürfte inzwischen ein sehr seltener Fall sein, dass ein Gartenrotschwanz in einem Garten als Brutvogel angetroffen werden kann. Die weitaus meisten
heimischen Gärten gefallen ihm nicht mehr wegen ihrer Naturferne bzw. Nahrungsarmut an Insekten.
Verwandtschaft und Status
Der Gartenrotschwanz gehört der Ordnung der Singvögel (Passeriformes) und der Familie der Schnäpperverwandten (Muscicapidae) an. Sein nächster
Verwandter ist der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), der derselben Gattung Phoenicurus angehört (siehe lat. Artname). Im Kreis Heinsberg sind beide Arten Sommer- und Brutvögel. Sie treten in
den Zugzeiten aber auch als Durchzügler auf. Allein der Hausrotschwanz überwintert vereinzelt bei uns, und zwar in milden Wintern und an klimatisch günstigen Orten. Die Tendenz zur Überwinterung
hat seit Beginn der Klimaerwärmung zugenommen.
Aussehen und Gesang
Der Gartenrotschwanz gehört mit 13-14,5 cm Länge und einem Gewicht von 14-15 g zu den mittelgroßen Singvögeln in Deutschland (etwas kleiner und schlanker
als Haussperling). Das Männchen ist eine besonders eindrucksvolle Erscheinung unserer heimischen Vogelwelt.
Auffällige Merkmale sind die orangefarbene Brust und das weiße Stirnband, die sich von schwarzem Unterkopf und schwarzer Kehle stark abheben. Die grauen bis graubraunen Oberseitenfedern sowie die
roten Schwanzfedern tun ein Übriges, um dem Vogel ein exotisches Aussehen zu verleihen. Das Weibchen ist mit beigeweißem, orange überhauchtem Brustgefieder, graubraunem Rückengefieder und
überwiegend roten Schwanzfedern unscheinbarer gefärbt. Bei dem Gartenrotschwanz singen nur die Männchen.
Ihr melodischer Reviergesang, der etwas schwermütig klingt, kann vor allem im Frühjahr im Bereich der besetzten Reviere vernommen werden. Er ist vom frühesten Morgengrauen an zu hören.
Verbreitung, Lebensraum und Wanderungen
Der Gartenrotschwanz ist von Westeuropa bis nach Mittelsibirien verbreitet und kommt auch in Teilen Vorderasiens vor. Die meisten Gartenrotschwänze leben in Deutschland und
Frankreich. Insoweit obliegt Deutschland eine besondere Verantwortung für ihn.
Er ist ein Brutvogel lichter Wälder (Altholzbestände) und vor allem halboffener Landschaften wie Streuobstwiesen, Feldgehölzen, halboffenen Heiden, Parks und Friedhöfen, wo er in Höhlen – am
liebsten in natürlichen Baumhöhlen brütet. In Gärten ist er leider nur noch ausnahmsweise zu finden. Als Insektenfresser ist er Zugvogel und als solcher Langstreckenzieher, wobei er in den
Savannen von West- bis Ostafrika überwintert. Sein Zugweg beträgt 6000 bis 8000 Kilometer.
Der Wegzug in Richtung Überwinterungsgebiete verläuft von Anfang August bis Ende September. Die Vögel ziehen einzeln und ausschließlich nachts.
Bei dem Heimzug ist die Hauptankunft in Mitteleuropa von April bis Anfang Mai.
Bestand und Bestandsschwankung
Der Gartenrotschwanz war in Deutschland ehemals ein verbreiteter und häufiger Brutvogel. In früheren Jahrhunderten profitierte er von der Umwandlung und Überweidung der Wälder
sowie dem hohen Bestand an Streuobstwiesen.
Im Handbuch der deutschen Vogelkunde von Günther Niethammer (1937) wird er als häufiger Brutvogel in ganz Deutschland bezeichnet. Sein Bestandsrückgang setzte Mitte der 50er Jahre ein. H.E.
Wolters (1955) hat ihn für den Kreis Geilenkirchen-Heinsberg als recht häufigen Brutvogel erwähnt. Aber auch in „Die Vögel des Kreises Erkelenz“ von Edmund Knorr (1967) wird er noch als häufiger
Brutvogel bezeichnet. Laut Knorr fehlte die Art wohl in keinem Dorf des Kreises Erkelenz. Der Rückgang hat sich dann 1968/69 dramatisch verstärkt und bis heute fortgesetzt. 1980 durchgeführte
Schätzungen ergaben für Deutschland immerhin noch 450.000 Paare. Der Brutbestand ist jedoch nach den Auswertungen von 2005 auf etwa 110.000 bis 160.000 Brutpaare zurückgegangen. Zwar konnte sich
der Bestand im Nordosten inzwischen stabilisieren und lokal auch erholen. In anderen Regionen hingegen gilt der Gartenrotschwanz weiterhin als gefährdet.
Der aktuelle Brutbestand Nordrhein-Westfalens beträgt nur noch rund 4000 Brutpaare. In der aktuellen Roten Liste NRW ist der Gartenrotschwanz in die Kategorie 2 „stark gefährdet“ hochgestuft
worden. Im Kreis Heinsberg gibt es inzwischen nur noch sehr wenige Brutplätze (vielleicht ca. 20 Bp oder weniger), die meistens in geeigneten Wald-/ Heidegebieten liegen. Bis 2009 ist er
regelmäßig nur noch im Meinweg und in der Teverener Heide festgestellt worden. 2010 war auch die Teverener Heide verwaist.
Fortpflanzung
Der Gartenrotschwanz wird am Ende des 1. Lebensjahres geschlechtsreif; zum Teil beginnen die Erstbruten viel später (nach bis zu 4 Jahren). Nach Rückkehr der
Männchen in die Brutgebiete (meistens ab Anfang April) wird bald ein Revier besetzt - sehr häufig das der Vorjahre - und mit intensivem Gesang markiert.
Auf diese Weise werden die wenige Tage später eintreffenden Weibchen angelockt. Ihnen werden von den Männchen die geeigneten Nisthöhlen gezeigt. Sodann wählt das Weibchen die jeweilige Bruthöhle,
die sich in Bäumen, Fels- oder Mauerlöchern oder Nistkästen befinden kann, aus. Dies ist der Beginn der meist monogamen Saisonehe. Das Nest aus Pflanzenmaterial wird meist vom Weibchen gebaut.
Legebeginn der Eier ist bei uns von Mitte bis Ende April. Das Gelege kann 5-7 grünlichblaue Eier umfassen. Diese werden vom Weibchen bebrütet. Die Brutdauer beträgt in der Regel 12 bis 14 Tage.
Die Nestlingszeit beträgt 13 bis 15 Tage. Die Auflösung des Familienverbandes kann schon nach 7 bis 8 Tagen erfolgen.
Im nördlichen Verbreitungsgebiet findet in der Regel nur 1 Jahresbrut statt; im Süden dagegen kommt es häufig zu Zweitbruten. Das erste Lebensjahr überleben nur etwa 20 % der Jungvögel. Danach
haben die Vögel die Chance, 3 – 5 Jahre alt zu werden. Bei dem ältesten Ringvogel wurde ein Alter von 9 Jahren/ 5 Monaten nachgewiesen.
Nahrung
Der Gartenrotschwanz lebt vor allem von Insekten jeglicher Art und Spinnen. Gelegentlich werden auch Beeren und Früchte aufgenommen bzw. können an Junge verfüttert
werden.
Historisches
Gartenrotschwanz und Hausrotschwanz sind wohl erst in der Neuzeit als eigenständige Arten beschrieben worden. In der einschlägigen Literatur des Mittelalters
ist eine eindeutige Trennung beider Rotschwanzarten noch nicht erfolgt. Nach den Darstellungen im Vogelbuch Conrad Gesners (1555) über Kennzeichen und Lebensraum werden die Merkmale beider Arten
teilweise vermischt. Der von Gesner erwähnte Bologneser Gelehrte Ulisses Aldovandi (1527-1605) hat in seiner Enzyklopädie über die Natur eine recht treffende Beschreibung des Hausrotschwanzes
abgegeben. Die ersten literarischen Erwähnungen der Rotschwänzchen gehen auf die Antike zurück. So sollen sich laut Aristoteles Rotschwänze mit der Kälte des Winters zu Rotkehlchen gemausert
haben und mit der Wärme des Frühjahrs wieder rückverwandelt haben. Die Erkenntnisse über den Vogelzug hatte man noch nicht.
Gefährdung
In den vergangenen Jahrzehnten sind die dem Gartenrotschwanz zusagenden Lebensräume zusehends dahin geschmolzen. Es hat tiefgreifende landschaftliche
Veränderungen in seinen Brutgebieten gegeben, ohne dass absehbar ist, wann dieser Trend gestoppt werden kann. Diesbezüglich hat sich vor allem die Vernichtung vieler Streuobstwiesen, die sich im
Kreis Heinsberg hauptsächlich im Umfeld aller Städte und Dörfer befanden, bemerkbar gemacht. Einige Ortschaften haben durch Baugebiete und Straßenbaumaßnahmen nahezu ihren gesamten
Obstwiesenbestand verloren.
Was die verbliebenen Streuobstbestände angeht, so grenzen diese häufig an intensiv bewirtschaftete Agrarflächen. Die Nahrungsarmut auf diesen Flächen hat zur Negativentwicklung wesentlich
beigetragen. Aber auch die Entwicklungen auf den Obstwiesen selbst (teilweise Spalierobst, Insektenbekämpfung), in Parks, auf Friedhöfen und in Gärten (zunehmende Sterilität) haben ihren Anteil
an der dramatischen Entwicklung. Als weitere Ursache für den Bestandsrückgang des Gartenrotschwanzes muss die zunehmende Verfolgung des Vogels auf den Zugwegen erwähnt werden.
Die Verluste der Zugvögel auf ihren Zugwegen infolge von Vogeljagd bewegen sich in der Größenordnung von vielen Millionen. Hinzu kommen die negativen Folgen menschlicher Aktivitäten in den
Überwinterungsgebieten wie übermäßiger Einsatz von Insektiziden und Pestiziden (bei uns teils verboten), Überweidung, überzogene Grundwassernutzung (zu viel Vieh) und Monokulturen u.a. mit der
Folge der zunehmenden Versteppung von Großräumen südlich der Sahara (Sahelzone). Hierdurch sterben viele Zugvögel an Vergiftung oder Nahrungsmangel. Ein zukünftiger Gefährdungsfaktor kann im
Zusammenhang mit der globalen Klimaveränderung stehen. Noch ist unklar, ob die Langstreckenzieher ihr Zugverhalten so an die Klimaerwärmung anpassen können, das ihnen in der entscheidenden Phase
der Jungenaufzucht dass optimale Insektenangebot zur Verfügung steht.
Schutzmaßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass alle erdenklichen Hilfsmaßnahmen zum Erhalt des Gartenrotschwanzes und seines Lebensraumes ergriffen werden:
Von den vorgenannten Maßnahmen für den Gartenrotschwanz werden auch eine Reihe weiterer schützenswerter Tierarten, die in demselben Lebensraum zu finden sind, profitieren. Beispielhaft werden
erwähnt:
Abendsegler, Sieben und Gartenschläfer, Steinkauz, Wiedehopf, Grauspecht, Kleinspecht, Wendehals, Rotkopfwürger, Trauerschnäpper, Grauschnäpper, Feldsperling, Hornisse
Literatur und Materialien
Glutz von Blotzheim, Urs & K.M. Bauer (1980), Handbuch der Vögel Mitteleuropas , Band 9, S. 733 ff., Akademische Verlagsgesellschaft
WiesbadenBauer, H.G., W. Fiedler & E. Bezzel (2006), Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1, 2. Auflage, Aula-VerlagNiethammer, Günther (1937), Handbuch der Deutschen Vogelkunde, Bd.
1, Akademische Verlagsgesellschaft, LeipzigMildenberger, Heinz (1984), Die Vögel des Rheinlandes, Band 1, Kilda-Verlag GrevenMichael Wink, Christian Dietzen & Benedikt Gießing (2005), Die
Vögel des Rheinlandes (Nordrhein), Band 36, Romneya Verlag und Verlag NIBUKKnorr, Edmund (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz, Gesellschaft für Buchdruckerei AG, NeußGesner, Conrad (1555/1669):
Vogelbuch, Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei, 1995
Wer mehr über den Gartenrotschwanz erfahren möchte, kann auch die reich bebilderte, A5-Broschüre beim NABU-Infoservice unter Tel. 030-284984-6000 E-Mail: Info@NABU.de bestellen.
Weitere Info`s gibt es auch im Internet unter www.nabu.de.