Der NABU hat die Dohle (Coloeus monedula) zum Vogel des Jahres gekürt, weil aus den meisten Regionen Deutschlands inzwischen rückläufige Bestandszahlen gemeldet werden. Mit ihrer Wahl soll insbesondere auf die Gründe für den Bestandsrückgang und die dies-bezüglichen Hilfsmöglichkeiten aufmerksam gemacht werden. Hans-Georg Bommer stellt den diesjährigen Jahresvogel vor.
Name
Ihr Gattungsname „Coloeus“ leitet sich von dem griechischen Wort für „gestutzt“ ab. Diese Bezeichnung erklärt sich aus dem relativ kurzen Schnabel der Art. Der Artname „monedula“ (Mönchlein) steht im Zusammenhang damit, dass ihre graue „Kapuze“ im Kopf-Hals-Bereich der Kleidung von Dorfpriestern ähnelte. In Conrad Gesners Vogelbuch von 1555 (in lateinischer Sprache), 1669 übersetzt ins Deutsche von Georg Horst, wird sie unter den Namen „Tole“ bzw. „Tol“ beschrieben. Diese Namen leiten sich wahrscheinlich von „tallen“ (= schwätzen) ab, was sich auf die Geschwätzigkeit des Vogels bezieht. In Erkelenzer Mundart ist der Name „Doel“ gebräuchlich.
Verwandtschaft und Status
Die Dohle gehört der Ordnung der Singvögel (Passeriformes) und der Familie der Krähenverwandten (Corvidae) an. Ihre nächste Verwandte in Mitteleuropa ist die Alpendohle, die der derselben Gattung Coloeus angehört. Im Kreis Heinsberg ist die Unterart Coloeus monedula spermologus (spermologus = Samenleserin) heimisch. Sie ist hier Brut- und Jahresvogel. Die Dohle tritt während der Zugzeiten im Frühjahr und Herbst als Durchzügler bzw. im Winterhalbjahr als Wintergast aus Nord- und Osteuropa auf, darunter auch mit weiteren Unterarten aus den nordöstlichen Gebieten.
Als weitere Unterarten sind die nordische Nominalform „monedula“ (siedelt in Skandinavien) und die östliche Halsband-Dohle „soemmeringii“ (aus Osteuropa) zu nennen. Erstere ist durch die hellere Graufärbung des Nackens und die Halsband-Dohle durch einen weißen Halsseitenfleck gekennzeichnet. Halsband-Dohlen werden bei uns eher selten beobachtet.
Aussehen und Stimme
Die Dohle gehört mit 33 - 34 cm Länge und einem Gewicht von 174 - 233 g zu den mittelgroßen Vögeln in Deutschland (etwa taubengroß). Nur auf den ersten Blick trägt sie ein schwarzes Federkleid. Erst bei näherem Hinsehen und bei Sonnenschein erkennt man metallisch schillernde Farben, was auf die Struktur der Federn zurückzuführen ist. Hinterkopf, Nacken und Ohrdecken sind silbergrau gefärbt. Sehr auffällig sind ihre hellblauen bis weißen Augen. Das Gefieder der Jungvögel ist leicht bräunlich gefärbt. Dohlen sind zwar Singvögel, jedoch kann von Singen kaum die Rede sein, wenn die Männchen ihren leisen, schwätzenden „Gesang“ hören lassen. Gleichwohl verfügen Dohlen über ein vielfältiges Lautspektrum, von denen „kja“ oder „kjak“, „schack“ oder „kjöck“ besonders markant sind.
Dohlen sind sehr lernfähig, können auch ausgezeichnet imitieren und lernen es sogar, menschliche Worte nachzuahmen. Im Laufe ihres Lebens erlernen sie häufig neue Laute.
Verbreitung, Lebensraum und Wanderungen
Die Dohle besiedelt ganz Europa mit Ausnahme des hohen Nordens. Im Osten endet ihr Verbreitungsgebiet in Zentralasien und der Mongolei, im Süden in Nordafrika. Die Dohlen Mitteleuropas sind weitgehend Standvögel. Ein geringer Teil der heimischen Vögel, meist Jungvögel, überwintert im Mittelmeerraum. Der zahlenmäßig weitaus größte Teil unserer heimischen Dohlen lebt in unseren Städten und Dörfern, wo sie in Nischen und Löchern von Gebäuden jeglicher Art, u.a. auch Schornsteinen, nisten. Sie nutzen aber auch geeignete Höhlen in Bäumen, Felswänden und Steinbrüchen, so dass sie auch außerhalb von Siedlungsgebieten als Brutvogel angetroffen werden können, wenngleich hier in recht geringer Zahl.
Für einen guten Brutbestand ist grundsätzlich Voraussetzung, dass im Umfeld des Brutplatzes ein ausreichendes Nahrungsangebot bestehen muss. Den Nahrungsbedarf kann die Dohle am besten auf Grünland und abgeernteten Äckern decken.
Bestand und Bestandsschwankung
Die Dohle hat in Deutschland sehr wechselhafte Bestandsentwicklungen hinter sich. Im 20. Jahrhundert konnte sie sich mehrfach ausbreiten, weil sie zunehmend verstädterte und insbesondere nach dem 2. Weltkrieg das Angebot an Nistplätzen zugenommen hatte. Laut Edmund Knorr (1967 in „Die Vögel des Kreises Erkelenz“) war sie vor 4-5 Jahrzehnten, also in den 20er Jahren, im damaligen Kreis Erkelenz nur an wenigen Stellen Brutvogel.
Im Handbuch der deutschen Vogelkunde von Günther Niethammer (1937) wird sie zwar als weit verbreitet in Wäldern und felsigen Gegenden angegeben, sie fehle vielfach aber auch aus kaum erklärbaren Gründen. Verschiedene Autoren (H.E. Wolters 1954, E. Knorr 1967, H. Mildenberger 1984, U. Glutz von Blotzheim 1993, Bauer/Bezzel/Fiedler 2005), ) sind sich einig darin, dass die Dohle nach dem 2. Weltkrieg eine besonders starke Vermehrung erfahren hat, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. H.E. Wolters (1954) hat sie für den Kreis Geilenkirchen-Heinsberg als recht häufigen Brutvogel erwähnt. E. Knorr (1967) hat sie für den Kreis Erkelenz während der 50er Jahre als häufigen Brutvogel angegeben. Mit dem Aufbau der zerstörten Städte endete die Phase der starken Vermehrung. Bereits in den 60er Jahren wurden im Rahmen ornithologischer Erfassungen starke Bestandsrückgänge im Rheinland registriert. Ab den 70er Jahren ist es hier zu lokal unterschiedlichen Entwicklungen (teils stabile, teils rückläufige Bestände) gekommen. In anderen Bundesländern (z.B. Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) sind demgegenüber drastische Bestandsrückgänge eingetreten, so dass die Dohle heute dort in den Roten Listen der gefährdeten Vogelarten steht. In Brandenburg ist sie sogar schon in die Gefährdungskategorie 1 (vom Aussterben bedroht) gesetzt worden.
Nur im Nordwesten Deutschlands halten sich derzeit noch stabile, größere Brutbestände. Auch im Kreis Heinsberg ist dies derzeit der Fall (wahrscheinlich mehr als 1000 Brutpaare – grob geschätzt). Nahezu alle Ortschaften können als besiedelt angesehen werden.
Der aktuelle Brutbestand für Deutschland wird mit ca. 100.000 Brutpaaren angenommen. Die große Masse dieser Vögel brütet in menschlichen Siedlungen. Baum- und Felsenbrüter sind leider nur noch in sehr geringen Brutbeständen zu finden und vielerorts schon gänzlich verschwunden, so dass ihnen besondere Aufmerksamkeit zu gelten hat.
Fortpflanzung
Dohlen sind meistens erst mit 2 Jahren geschlechtsreif, ausnahmsweise auch schon nach 1 Jahr. Sie führen eine monogame Dauerehe. Die Besetzung der Neststandorte kann sich von Mitte März bis Anfang Mai hinziehen. Das Paar wählt gemeinsam den Nistplatz. Nistplatztreue ist verbreitet. Das Nest wird aus Zweigen, Reisig und Moos gebaut.
Legebeginn der Eier ist von Ende März bis Anfang April. Das Gelege kann 4-6 Eier umfassen. Die Eierfarbe ist sehr variabel (von dunkelblaugrün bis rahmweiß). Die Eier werden vom Weibchen bebrütet. Die Brutdauer beträgt in der Regel 16 - 19 Tage. Das Weibchen wird in dieser Zeit vom Männchen gefüttert. Die Nestlingszeit beträgt 30 – 35 Tage. Die Jungen werden noch bis 4 Wochen lang von ihren Eltern betreut. Es findet nur eine Jahresbrut statt.
Viele der Jungvögel überleben das erste Lebensjahr nicht. Immerhin werden aber 30-40 % der Jungvögel geschlechtsreif (eine relativ hohe Rate). Ein Höchstalter von ca. 20 Jahren ist nachgewiesen. Gefangenschaftsvögel sind schon bis 29 Jahre alt geworden.
Nahrung
Dohlen sind Allesfresser. Sie leben von pflanzlicher und tierischer Nahrung vielerlei Art. Besonders wichtig sind proteinreiche Insekten, die für die Aufzucht der Jungen benötigt werden. Naturnahen Offenlandflächen kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu.
Historisches
Die ersten literarischen Erwähnungen der Dohle gehen auf die Antike zurück. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) hat sie in seiner „Geschichte der Tiere“, die als Grundstein für die wissenschaftliche Zoologie gilt, „Lycon“ genannt. Nach den Darstellungen im Vogelbuch Conrad Gesners (1555) ist insbesondere das Verhalten der Dohle weitgehend richtig beschrieben worden.
Sie sei sehr schwatzhaft und niste in hohen Türmen. Sie niste außerdem „auff“ hohen und hohlen Bäumen, wobei auf einem Baum zuweilen 7 beflogene Nester seien. Unklar ist hierbei, ob auch das Brüten in Offennestern gemeint war. Hierzu ist anzumerken, dass nach heutigen Erkenntnissen der Neststand in aller Regel überdacht ist, vereinzelt jedoch auch Offennester genutzt werden. Man wusste im Mittelalter auch, dass Dohlen sehr lernfähig sind und insbesondere menschliche Laute erlernen können. Sie hätten es auch gern, wenn sie auf dem Kopf gekrault werden. Zwei Kapitel beschreiben den Fang von Dohlen und den Geschmack ihres Fleisches. Zu letzterem heißt es: „Die junge Tolen sind gut zu essen, wenn man ihnen die Haut sambt den Federn abzeucht.“
Aber auch abergläubische Vorstellungen waren mit der Dohle verbunden. Würden Dohlen in Scharen aus dem Wald fliegen, so künde dies von einem unfruchtbaren Jahr. Wenn sie spät von der Weide fliegen, wäre dies ein Hinweis auf ein nahendes Ungewitter. Schreien am Abend oder helle Stimmen zeigten Regen an. Abwechselndes Hoch- und Tieffliegen bedeute ebenfalls Regen und Kälte.
Gefährdung
1) In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Gebäude renoviert oder isoliert. Außerdem verschloss man Kirchtürme, Kamine und Brutnischen, um Straßentauben fernzuhalten. Dadurch haben sich die Nistmöglichkeiten der Dohlen drastisch verschlechtert.
2) Das Umland der Siedlungen und sonstigen Brutstandorte hat sich stark verändert. An den Ortsrändern sind Wiesen und Viehweiden weitgehend verdrängt worden. Wo Grünlandflächen verblieben, sind diese durch die „modernen“ Bewirtschaftungsformen artenarm geworden. Die Ackergebiete unterliegen bis auf geringe Ausnahmen der Intensivlandwirtschaft. Monotone Anbauformen u. a. zwecks Energiegewinnung setzen sich im immer stärkeren Maße durch. Im Rahmen dieser Entwicklungen sind zunehmend naturnahe Landschaftsstrukturen, wie u. a. artenreiche Gehölze, Hecken, Feldraine und Brachen verschwunden. Der Einsatz von Pestiziden und Beizmitteln hat zu weiteren Einschränkungen im Nahrungsangebot geführt. Die Nahrungsarmut auf all diesen Flächen hat die nahrungsökologische Situation der Dohle dramatisch verschlechtert.
3) In den heimischen Wirtschaftswäldern sind höhlenreiche Altbäume recht selten. Aufgrund dieser Situation sind an vielen Stellen die Baumbrüterbestände der Dohle zusammengebrochen.
Schutzmaßnahmen
Jeder, der über Grundbesitz verfügt, hat die Möglichkeit, etwas für die Verbesserung des Lebensraumes der Dohlen zu tun, wie im Folgenden beschrieben ist:
Durch Ausbringen von Nistkästen außerhalb und innerhalb von Gebäuden sowie an Bäumen kann der Nistplatzarmut in den Lebensräumen der Dohle (Siedlungen und Wälder) erfolgreich entgegengewirkt werden.
Von den vorgenannten Maßnahmen werden auch eine Reihe weiterer schützenswerter Tierarten, die in demselben Lebensraum zu finden sind, profitieren. Beispielhaft werden erwähnt: Fledermäuse, Bilche, Hohltauben und Eulen.
Literatur
Glutz von Blotzheim, Urs & K.M. Bauer (1980), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 9, S. 733 ff., Aka-demische Verlagsgesellschaft Wiesbaden
Bauer, H.G., W. Fiedler & E. Bezzel (2006), Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1, 2. Auflage, Aula-Verlag
Niethammer, Günther (1937), Handbuch der Deutschen Vogelkunde, Bd. 1, Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig
Mildenberger, Heinz (1984), Die Vögel des Rheinlandes, Band 1, Kilda-Verlag Greven
Michael Wink, Christian Dietzen & Benedikt Gießing (2005), Die Vögel des Rheinlandes (Nordrhein), Band 36, Romneya Verlag und Verlag NIBUK
Knorr, Edmund (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz, Gesellschaft für Buchdruckerei AG, Neuß
Gesner, Conrad (1555/1669): Vogelbuch, Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei, 1995
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