Hat der Kreis Heinsberg die Meldung des Rurtales als Überwinterungsgebiet für seltene u. bedrohte Vogelarten versäumt ? Oliver Gellißen berichtet über die ersten Auswirkungen der neuen
Jagdzeitenverordnung in NRW
Neue Jagdzeitenverordnung in NRW
Mit der neuen Jagdzeitenverordnung (VO) NRW, die am 1.12.06 in Kraft getreten ist, wurden die Jagdzeiten für einige Tierarten
teilweise erheblich erweitert. So dürfen z. B. Graugänse vom 1.8. – 31.8. u. vom 1.11. – 15.1.; Kanadagänse vom 1.11. bis zum 15.1. u. Nilgänse vom 1.8. bis zum 15.1. bejagt werden. Zumindest
erfolgte die Ausweisung von zusätzlichen Schonzeiten für einige Gänsearten in den Überwinterungsgebieten am Unteren Niederrhein sowie in der Weseraue.
Das Rurtal – ein wichtiges Überwinterungsgebiet für Gänse
Schon seit längerem ist bekannt, dass auch das Rurtal im Kreis Heinsberg ein wichtiges Überwinterungsgebiet für
Gänse – u. a. für die bei uns seltenen Saat- u. Bläßgänse – darstellt. Obwohl die neue Verordnung offensichtlich Ausnahmen für besondere Überwinterungsgebiete vorsehen kann, ist dies für den
Bereich des Rurtales nicht erfolgt, obwohl den zuständigen Behörden schon seit längerem bekannt ist, dass sich hier während der Wintermonate eine Vielzahl seltener und bedrohter Vogelarten
aufhalten.
Jagdverstöße
Die vor Ort tätigen Ornithologen des NABU berichten, dass in der Zeit vom 15.12. bis 23.12.2006 im Umfeld des Effelder Waldsees (Stadt Wassenberg) und des
Baggersees Großkünkel (Stadt Hückelhoven) mindestens 4 Jagden durchgeführt worden, die offensichtlich das Ziel hatten, die auf den Gewässern rastenden Gänse zu bejagen. Fest steht, dass hierbei
auch Saatgänse beschossen worden sind, wobei aus der Distanz beobachtet wurde, dass mindestens 1 Saatgans nach Einsetzen des Beschusses abstürzte. Auf den Gewässern setzte nach Beginn der Jagden
jeweils eine Massenflucht der dort befindlichen Wasservögel ein. Zu den Vorkommnissen ist aus rechtlicher Sicht anzumerken, dass auch nach der neuen Jagdzeitenverordnung Saat- und Bläßgänse in
NRW ganzjährige Schonzeit genießen.
Die Praxis hat immer wieder gezeigt, dass die Jäger während der Jagd in vielen Fällen nicht in der Lage sind, die verschiedenen Arten der grauen Gänse (Grau-, Saat- und Bläßgänse) voneinander im
Flug zu unterscheiden. Verwechslungen der Arten sind daher sehr wahrscheinlich, wie dies auch die aktuellen Vorkommnisse bewiesen haben. Die Gefahr von solchen Verwechslungen steigt erheblich,
wenn dann noch - wie in den vorliegenden Fällen - schlechte Sicht in der Abend- bzw. Morgendämmerung hinzukommt.
Weiterhin hält der NABU es grundsätzlich für unverantwortlich, dass Jagden in der Nähe von wertvollen Rastgebieten und Schlafplätzen abgehalten werden. Im Rurtal befinden sich mehrere bedeutende
solcher Plätze - vor allem für nordischen Gänse (maximal weit mehr als 10000 Saat- und Bläßgänse) sowie für eine Reihe von seltener Enten- und Taucherarten. Die Jagden führen zu Massenfluchten
aller rastenden Tiere, was mit erheblichem zusätzlichen Energieverbrauch für die Vögel und bei wiederholten Störungen mit einer Reduzierung ihrer Chance auf erfolgreiche Überwinterung verbunden
ist. Darüberhinaus steht auf dem Spiel bzw. ist nicht auszuschließen, dass die Tiere dauerhaft vergrämt werden und die Bedeutung als Schlaf- und Rastplatz verloren geht. Dies haben u.a. auch
einschlägige Erfahrungen in bejagten Gebieten in den Niederlanden gezeigt.
Verstoß gegen EU-Recht
Abschließend ist noch anzumerken, dass aus Sicht des Artenschutzes grundsätzlich schwerwiegende Bedenken gegen die neue Jagdzeitenverordnung
bestehen, wonach die Bejagung von Gänsen teilweise sogar im August zulässig ist. Dies widerspricht zudem eindeutig der Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union, wonach während der Brut- u.
Aufzuchtzeit gar keine Jagd erfolgen darf, von den tierschutzrechtlichen Bedenken mal ganz abgesehen, da die Jungtiere elend zu Grunde gehen müssen, wenn die Elterntiere abgeschossen werden.